Die Geschichte der Dommusik Feldkirch
Wer sich mit der Geschichte der Dommusik Feldkirch beschäftigt, tritt eine Zeitreise an, die weit in die Vergangenheit zurückführt.
Der Grundstein für die jahrhundertealte Geschichte der Feldkircher Kirchenmusik findet sich im Mittelalter. Um das Jahr 1400 wurde im Haus Neustadt 45 eine Lateinschule gegründet, die eine wichtige regionale Bildungsstätte war. Die dort tätigen Schulmeister waren nicht nur für das Unterrichten der Schüler zuständig, sondern auch für den kirchlichen Gesang in der Stadtpfarrkirche St. Nikolaus verantwortlich, den sie mit ihren Schulknaben besorgten. Unter den Lateinschulmeistern tat sich besonders Johannes Vogelsang im 16. Jahrhundert hervor. Sein Knabenchor erlangte bis weit über die Grenzen hinaus Bekanntheit. Ebenso erwähnenswert ist Georg Klopfer, der sein Schulmeisteramt im Jahre 1593 antrat. In der Zeit seines Wirkens erlebte die Feldkircher Kirchenmusik eine besondere Blütezeit. Gemeinsam mit Christopher Klocker verfasste er das älteste Vorarlberger Chorbuch, welches im Jahr 1617 erschien.
Neben der Lateinschule gab es seit Mitte des 16. Jahrhunderts auch eine deutsche Stadtschule. Die Pflege der Kirchenmusik blieb aber hauptsächlich Aufgabe der Lateinschulmeister und deren Schüler. Im 18. Jahrhundert änderten sich die Schulverhältnisse in Feldkirch, unter anderem verlor die Lateinschule an Bedeutung. So kam es dazu, dass weniger Knaben zur Verfügung standen, um die Kirchenmusik zu gestalten. Der Chor wurde folglich durch Frauen- und Mädchenstimmen verstärkt. So entwickelte sich letztlich ein gemischter Chor mit Frauen- und Männerstimmen, wie wir ihn heute kennen.
Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts prägte die aus Böhmen stammende Familie Schmutzer die Feldkircher Kirchenmusik. Deren Wohnhaus befand sich in der Neustadt 24. Eine Gedenktafel an der heute rosafarbenen Hausfassade erinnert an diese bedeutende Musikerfamilie. 1848 übernahm Philipp Schmutzer, Absolvent des Prager Konservatoriums, für mehrere Jahrzehnte die Chorregentenstelle. Er war außerdem der erste Lehrer des berühmten Liechtensteiner Komponisten Josef Rheinberger und hinterließ ein beachtliches kompositorisches Werk.
Die Zeit des musikalischen Wirkens von Philipp Schmutzer wurde vom bedeutenden Organisten Wunibald Briem begleitet. Er war von 1865 bis 1912 als virtuoser Domorganist in der Feldkircher Stadtpfarrkirche tätig, schuf zahlreiche Kompositionen und förderte nachhaltig die Entwicklung der Kirchenmusik in Vorarlberg. Die bekannten Vorarlberg Volkslieder „Uf da Berga“ sowie „Grüaß di Gott mi subers Ländle“ stammen beispielswiese aus seiner Feder.
Nachdem Philipp Schmutzer 1896 altersbedingt aus seinem Amt schied, übernahm Anton (Toni) Schmutzer von seinem Vater die Dirigentenstelle. Er führte seine Aufgaben mit großer Leidenschaft aus und galt manchen wohl als strenger Chorregent. In seine Zeit des Wirkens fällt die Gründung des Vereins „Kirchenchor Feldkirch“ im Jahre 1902. Dessen Hauptzweck war es, die Kirchenmusik in Feldkirch zu pflegen und Messen musikalisch zu gestalten. Daneben sollte auch der weltlichen Musik im Rahmen der Möglichkeiten Raum geboten werden. Zusätzlich bemühte sich Schmutzer um den Aufbau eines Kirchenchororchesters. Wie motiviert der Kirchenchor von Beginn an war, zeigt die Aufführung von Mozarts „Requiem“ gleich im Jahr nach der Chorgründung. Zahlreiche weitere große Werke wie z.B. Mendelssohn-Bartholdys Oratorium „Elias“ oder Haydns „Schöpfung“ kamen in den darauffolgenden Jahren zur Aufführung. 1905 erklang Anton Schmutzers Komposition „Du Ländle, meine teure Heimat“ erstmals im Rahmen eines Cäcilienkonzertes. Das Lied wurde in der Mitte des 20. Jahrhunderts zur Vorarlberger Landeshymne ernannt.
Der Beginn des Ersten Weltkrieges bedeutete einen traurigen Einbruch für den bisher so aktiven Kirchenchor. Zahlreiche Sänger gingen an die Front, fünf Mitglieder kamen nicht mehr aus dem Krieg zurück. Während der Kriegsjahre beschränkte der Kirchenchor seine Tätigkeit überwiegend auf die musikalische Umrahmung von Gottesdiensten. Nach dem Krieg erreichte der Chor dank der Schaffenskraft und des großen musikalischen Könnens von Anton Schmutzer eine weitere Blütezeit.
1931 legte Schmutzer sein Amt nieder. Im selben Jahr übernahm der aus Bayern stammende Otto Schwindl die Stelle des Chorregenten. Ab 1938 wirkte er zusätzlich als Lehrer und später Direktor an der Musikschule Feldkirch. Schwindl führte von Beginn an die engagierte Arbeit seines Vorgängers Anton Schmutzer fort. Der Zweite Weltkrieg bedeutete jedoch bald eine neuerliche, tiefe Zäsur in der Geschichte des Kirchenchores Feldkirch. Teils bewegten politische Gründe Sänger:innen zum Austritt, teils wurden Mitglieder zum Wehrdienst einberufen. Auch Otto Schwindl musste in den Krieg, kurz vor Kriegsschluss ebenso der damalige Organist Ferdinand Andergassen. Nachdem 1945 der Zweite Krieg ein Ende gefunden hatte und im Oktober desselben Jahres Schwindl aus der Gefangenschaft zurückkehrte, wurden umgehend die Proben wieder aufgenommen und neue Sänger:innen gesucht. Der Chor machte bereits 1946 mit zwei Radioübertragungen von sich hören. Schwindl hinterließ große musikalische Spuren in Feldkirch und wirkte insgesamt 40 Jahre als Chorleiter in Feldkirch.
Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde kirchenmusikalisch nicht nur von Anton Schmutzer und Otto Schwindl geprägt, sondern ebenso von Ferdinand Andergassen. Er übernahm 1912 mit gerade einmal 20 Jahren das Amt des Organisten an der Feldkircher Stadtpfarrkirche von Wunibald Briem und hielt dieses bis 1957 inne. Andergassen tat sich insbesondere als Komponist hervor und hinterließ ein umfangreiches Werk, vor allem im Bereich der musica sacra.
1968 fand ein geschichtsträchtiges Ereignis für die Stadtpfarre Feldkirch statt. Papst Paul VI. errichtete mit der Bulle „Christi caritas“ die Diözese Feldkirch. Damit wurde die Stadtpfarrkirche zum Dom erhoben. Der Kirchenchor wurde in „Domchor St. Nikolaus“ umbenannt – diesen Namen trägt er bis heute.
Nach dem Abtreten von Otto Schwindl konnte der Dom St. Nikolaus weitere namhafte Persönlichkeiten im Amt der kirchenmusikalischen Leitung aufweisen. Von 1971 bis 1991 wirkte Gebhard Wiederin als Domkapellmeister (er war bereits seit 1957 als Domorganist tätig). Wiederin war eine überaus geschätzte Persönlichkeit, er erweiterte das musikalische Repertoire des Domchores und war u.a. in ganz Vorarlberg als Orgel- und Klaviersolist tätig. Außerdem komponierte er mehrere sakrale Werke wie auch weltliche Lieder. Mit der Ernennung Wiederins zum Domkapellmeister wurde das Amt des Domorganisten frei. Dieses wurde von Walfried (Wally) Kraher bis zum Jahr 2007 übernommen.
Von 1991 an wirkte Hansjörg Gruber für sechs Jahre als Domkapellmeister, 1998 folgte ihm Ingrun Fußenegger als erste Domkapellmeisterin Österreichs für drei Jahre. Von 2002 bis 2006 hatte Markus Landerer, heute Domkapellmeister am Stephansdom Wien, dieses Amt inne.
Seit 2006 ist Benjamin Lack sehr erfolgreich als Domkapellmeister tätig. Er dirigiert den Domchor St. Nikolaus wie auch das Gesangsensemble Capella St. Nikolaus, das sich aus wechselnden Mitgliedern des Domchores zusammensetzt. Seit 2003 hat er zusätzlich die Professor für Chordirigieren an der Kunstuniversität Graz inne. Unter Lacks Führung wurde das kirchenmusikalische Repertoire kontinuierlich erweitert und am Chorklang wie auch an der Professionalisierung der Aufführungen gearbeitet. So kommen heute im Rahmen von rund 20 liturgischen Feiern und dem jährlichen Konzert geistliche Werke aller Epochen einschließlich zeitgenössischer Kompositionen zur Aufführung. An besonderen Feiertagen werden die Sänger:innen vom Orchester der Dommusik begleitet, das sich aus professionellen Musiker:innen der Region zusammensetzt. Heute zählt der Domchor St. Nikolaus rund 45 Mitglieder, die sich an ca. 60 Terminen im Jahr treffen.
An der Seite von Benjamin Lack wirkt Johannes Hämmerle seit 2007 als virtuoser Domorganist. Sein großes Bemühen gilt ebenso der Gestaltung und Pflege einer profilierten Dommusik. Er zeichnet u.a. verantwortlich für die Reihe „Abendmusik“. Hämmerle unterrichtet außerdem an der Stella Privathochschule für Musik, ist Cembalist beim renommierten Barockorchester Concerto Stella Matutina und gefragter Ensemblemusiker.
Die Dommusik - bestehend aus dem Domchor St. Nikolaus, der Capella St. Nikolaus, dem Orchester der Dommusik, den Gesangssolisten und den Orgeln des Doms – ist heute ein Klangkörper, der die Liturgie im Dom wesentlich bereichert und die liturgischen Feiern zu einem tieferen spirituellen Erlebnis für die Messbesucher:innen werden lässt. Darüber hinaus trägt die Dommusik zum kulturellen Leben der Stadt Feldkirch wesentlich bei.
Quellen
· Andreas Ulmer / Manfred A. Getzner: Die Geschichte der Dompfarre St. Nikolaus Feldkirch (Band II); Wolfgang Neugebauer Verlag, 2000.
· Christoph Vallaster: Musikalischer Altstadtspaziergang; Feldkirch aktuell /3,98
Musikalischer AltstadtspaziergangDas historische Werk „Die Geschichte der Dompfarre St. Nikolaus Feldkirch“ (Band II) von Ulmer/Getzner sei allen Interessierten zur weiteren Vertiefung nachdrücklich empfohlen.